Pflegeversicherung

Pflegebedürftigkeit trifft Millionen Menschen in Deutschland – und sie kann jeden treffen: durch Alter, Krankheit oder Unfall. Die Wahrscheinlichkeit, im Laufe des Lebens pflegebedürftig zu werden, ist hoch – statistisch gesehen betrifft dies rund jede zweite Frau und jeden dritten Mann. Gleichzeitig sind die Kosten für Pflegeleistungen enorm und steigen mit dem Pflegegrad. Wer hier nicht ausreichend abgesichert ist, muss oft sein Vermögen einsetzen – oder Angehörige stehen finanziell in der Pflicht.

Die gesetzliche Pflegeversicherung bietet zwar eine gewisse Grundsicherung, deckt aber bei Weitem nicht alle Kosten ab, die im Pflegefall entstehen. Der Eigenanteil kann schnell mehrere tausend Euro pro Monat betragen – besonders bei stationärer Pflege.

Eine durchdachte Pflegeabsicherung – ob gesetzlich, privat oder zusätzlich – wird deshalb immer wichtiger. In diesem umfassenden Ratgeber erfährst du alles Wichtige zur Pflegeversicherung in Deutschland: Was sie leistet, was sie nicht zahlt, wie hoch die Kosten sind, welche Pflegestufen existieren – und wie du dich und deine Angehörigen bestmöglich vorbereiten kannst.


Was ist die Pflegeversicherung?

Die Pflegeversicherung ist eine soziale Pflichtversicherung, die seit 1995 in Deutschland besteht. Sie gehört neben der Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Unfallversicherung zur fünften Säule der Sozialversicherung.

Ziel der Pflegeversicherung ist es, Menschen zu unterstützen, die aufgrund von körperlichen, kognitiven oder psychischen Beeinträchtigungen dauerhaft auf Hilfe im Alltag angewiesen sind – z. B. beim Waschen, Anziehen, Essen, im Haushalt oder bei medizinischer Versorgung.


Arten der Pflegeversicherung

In Deutschland gibt es zwei Formen der Pflegeversicherung:


1. Gesetzliche Pflegeversicherung (Soziale Pflegeversicherung)

  • Für alle gesetzlich Krankenversicherten (Pflichtmitgliedschaft)
  • Träger ist die Pflegekasse deiner Krankenkasse
  • Beiträge richten sich nach dem Bruttoeinkommen
  • Beiträge werden zu gleichen Teilen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer getragen (mit Ausnahmen)
  • Leistungen sind gesetzlich geregelt und gelten bundesweit einheitlich

2. Private Pflegepflichtversicherung

  • Gilt für alle privat Krankenversicherten
  • Pflegepflichtversicherung ist gesetzlich vorgeschrieben, muss aber bei einem privaten Anbieter abgeschlossen werden
  • Beiträge richten sich nach Alter, Gesundheitszustand und Tarif
  • Leistungen sind an die gesetzliche Pflegeversicherung angelehnt (müssen „vergleichbar“ sein)

Wann gilt man als pflegebedürftig?

Pflegebedürftigkeit liegt vor, wenn Menschen aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen in der Selbstständigkeit und Alltagsbewältigung dauerhaft Hilfe benötigen – mindestens sechs Monate lang.

Kriterien für Pflegebedürftigkeit:

  • körperliche Beeinträchtigungen (z. B. nach Schlaganfall, bei Mobilitätseinschränkungen)
  • kognitive Beeinträchtigungen (z. B. Demenz, Alzheimer)
  • psychische Erkrankungen (z. B. Depressionen mit Alltagsversagen)

Pflegegrade statt Pflegestufen

Seit dem 1. Januar 2017 gelten Pflegegrade anstelle der früheren Pflegestufen. Die Einstufung erfolgt durch den Medizinischen Dienst (MD) oder bei Privatversicherten durch „MEDICPROOF“.

Die fünf Pflegegrade im Überblick:

PflegegradBeschreibungBeispiele
1Geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeitleichte Mobilitätseinschränkungen, erste Demenzanzeichen
2Erhebliche BeeinträchtigungHilfe bei Körperpflege, Haushalt
3Schwere Beeinträchtigungtägliche Hilfe bei Pflege & Orientierung
4Schwerste Beeinträchtigungintensive tägliche Betreuung nötig
5Schwerste mit besonderen Anforderungen an Pflegevollstationäre Pflege, Rund-um-die-Uhr-Hilfe

Wichtig: Die Einordnung in einen Pflegegrad entscheidet über die Höhe der Leistungen – sowohl für ambulante als auch stationäre Pflege.

Leistungen der Pflegeversicherung im Überblick

Die gesetzliche Pflegeversicherung gewährt Leistungen, die sich nach dem festgestellten Pflegegrad sowie nach der Art der Pflege (ambulant oder stationär) richten. Sie stellt dabei keine Vollkostenübernahme dar, sondern eine Teilkasko-Versicherung – der Eigenanteil muss in den meisten Fällen durch eigenes Vermögen, Angehörige oder zusätzliche Versicherungen gedeckt werden.


Pflege zu Hause – ambulante Leistungen

Die Pflege in den eigenen vier Wänden ist in Deutschland die häufigste Form der Versorgung. Viele Pflegebedürftige möchten in vertrauter Umgebung bleiben – mit Unterstützung durch Angehörige oder ambulante Dienste.

Leistungsformen im häuslichen Umfeld:

1. Pflegegeld

Wird gezahlt, wenn Angehörige, Freunde oder Bekannte die Pflege übernehmen.

2. Pflegesachleistungen

Zahlung erfolgt an einen professionellen Pflegedienst, der bestimmte Leistungen (z. B. Hilfe bei Körperpflege, Ernährung, Mobilität) übernimmt.

3. Kombinationsleistung

Pflegegeld und Pflegesachleistung können auch kombiniert werden – z. B. wenn Angehörige die Grundpflege übernehmen, aber ein Pflegedienst regelmäßig unterstützt.

4. Entlastungsbetrag

Jeder Pflegebedürftige erhält monatlich 125 €, z. B. für haushaltsnahe Dienstleistungen, Alltagsbegleitung oder Betreuungsangebote.


Leistungen nach Pflegegrad (ambulant)

PflegegradPflegegeld (€)Pflegesachleistung (€)
1
2332761
35731.432
47651.778
59472.200

Weitere ambulante Unterstützungsleistungen:

  • Tages- und Nachtpflege: Teilstationäre Pflege für einzelne Stunden oder Tage
  • Kurzzeitpflege: Übergangsversorgung nach Krankenhaus oder bei Überlastung der Angehörigen
  • Verhinderungspflege: Wenn pflegende Angehörige z. B. in Urlaub sind oder krankheitsbedingt ausfallen
  • Wohnraumanpassung: Zuschuss bis 4.000 € für barrierefreie Umbaumaßnahmen
  • Pflegehilfsmittel: Monatlich bis zu 40 € für z. B. Bettschutzeinlagen, Desinfektionsmittel, Handschuhe

Stationäre Pflege: Pflegeheim & Kosten

Kann eine Versorgung zu Hause nicht mehr gewährleistet werden, bleibt häufig nur die vollstationäre Pflege im Heim. Doch das ist teuer: Pflegeheime berechnen neben Unterkunft und Verpflegung auch Investitionskosten – zusätzlich zum Eigenanteil an den pflegerischen Leistungen.


Leistungen bei vollstationärer Pflege

PflegegradMonatlicher Leistungszuschuss der Pflegekasse (€)
1
2770
31.262
41.775
52.005

Achtung: Trotz dieser Zuschüsse liegt der durchschnittliche Eigenanteil für einen Heimplatz bundesweit bei über 2.300 € monatlich (Stand 2025). Die Pflegeversicherung deckt nur einen Teil ab – die Differenz muss selbst getragen werden.


Zuschlag nach Verweildauer im Heim (seit 2022)

Je länger jemand im Pflegeheim lebt, desto höher wird der Zuschuss der Pflegeversicherung zum pflegebedingten Eigenanteil:

  • im 1. Jahr: +15 %
  • im 2. Jahr: +30 %
  • im 3. Jahr: +50 %
  • ab dem 4. Jahr: +75 %

Dieser Zuschlag bezieht sich nur auf den einrichtungseinheitlichen Eigenanteil (EEE) – Unterkunft, Verpflegung und Investitionskosten bleiben unberücksichtigt.


Pflegeberatung & Anspruch

Jede pflegebedürftige Person hat Anspruch auf eine individuelle Pflegeberatung. Diese wird von Pflegekassen kostenlos angeboten und kann zu Hause oder telefonisch stattfinden.

Ziel: Information über Leistungen, Antragsstellung, Organisation der Pflege sowie Entlastungsmöglichkeiten für Angehörige.

Warum reicht die gesetzliche Pflegeversicherung nicht aus?

Die gesetzliche Pflegeversicherung ist – ähnlich wie eine Teilkaskoversicherung beim Auto – nur eine Basisabsicherung. Sie übernimmt zwar Teile der Pflegekosten, aber bei weitem nicht alles. Die Pflegelücke, also der Unterschied zwischen tatsächlichen Pflegekosten und den Leistungen der Pflegekasse, liegt oft zwischen 1.500 und 3.000 Euro monatlich, insbesondere bei stationärer Versorgung.

Ohne eigene Vorsorge sind Pflegebedürftige gezwungen, ihr Vermögen aufzubrauchen. Erst danach – wenn das sogenannte „Schonvermögen“ unterschritten ist – springen unter Umständen Sozialhilfeträger oder Angehörige ein.


Private Pflegezusatzversicherung – Überblick

Um diese Versorgungslücke zu schließen, bieten Versicherer verschiedene Pflegezusatzversicherungen an. Diese können mit der gesetzlichen oder privaten Pflegepflichtversicherung kombiniert werden – und ermöglichen eine bedarfsgerechte Aufstockung im Pflegefall.


1. Pflege-Bahr (staatlich gefördert)

Der Pflege-Bahr ist eine staatlich geförderte Pflegezusatzversicherung, benannt nach dem ehemaligen Gesundheitsminister Daniel Bahr. Sie richtet sich insbesondere an Menschen mit geringem Einkommen oder Vorerkrankungen.

Merkmale:

  • Jeder kann sich versichern (keine Gesundheitsprüfung)
  • Staatlicher Zuschuss: 60 € jährlich
  • Mindestbeitrag: 10 €/Monat
  • Begrenzte Leistungen (meist 600–800 € mtl. bei Pflegegrad 5)

Vorteile:

  • ohne Gesundheitsfragen
  • staatliche Unterstützung
  • Einstieg auch für Risikogruppen

Nachteile:

  • sehr niedrige Leistung
  • kaum bedarfsdeckend bei höheren Pflegekosten

2. Pflegetagegeldversicherung

Die Pflegetagegeldversicherung zahlt im Pflegefall einen festgelegten Geldbetrag pro Tag – abhängig vom Pflegegrad. Du kannst bei Vertragsabschluss wählen, wie hoch der Tagessatz im jeweiligen Pflegegrad sein soll.

Beispiel:
Pflegegrad 5: 100 €/Tag ⇒ 3.000 €/Monat
Pflegegrad 4: 70 €/Tag ⇒ 2.100 €/Monat

Vorteile:

  • flexibel einsetzbares Geld (für stationäre oder häusliche Pflege)
  • freie Tarifgestaltung
  • gute Kombinationsmöglichkeit mit gesetzlicher Pflegeversicherung

Nachteile:

  • Gesundheitsprüfung erforderlich
  • Beiträge steigen mit Alter und Vorerkrankungen

3. Pflegerentenversicherung

Die Pflegerente kombiniert eine Lebensversicherung mit Pflegeabsicherung. Bei Pflegebedürftigkeit wird eine monatliche Rente ausgezahlt – zusätzlich bleibt der Kapitalwert vererbbar oder wird bei Nichtnutzung ausbezahlt.

Vorteile:

  • lebenslange Zahlung im Pflegefall
  • Vermögensschutz bei Nichtinanspruchnahme
  • oft garantierte Leistungen

Nachteile:

  • hohe Beiträge
  • komplizierte Tarifstruktur
  • weniger flexibel als Pflegetagegeld

Was kostet private Pflegevorsorge?

Die Kosten für eine Zusatzversicherung hängen ab von:

  • Alter bei Vertragsabschluss
  • Gesundheitszustand
  • gewünschter Leistungshöhe
  • Tarifwahl (Bahr, Tagegeld, Rente)

Beispielhafte Beiträge für Pflegetagegeldversicherung:

AlterPflegegrad 5: 2.000 €/MonatBeitrag/Monat (ca.)
2566 €20–30 €
3545 €35–50 €
4530 €50–80 €
5520 €90–130 €

Tipp: Je früher du abschließt, desto günstiger und leistungsstärker wird dein Schutz.


Pflegekosten im Alter – eine realistische Einschätzung

Die Realität in Deutschland zeigt: Wer in ein Pflegeheim muss, zahlt im Schnitt über 2.300 € monatlich aus eigener Tasche – bei steigender Tendenz. Auch ambulante Pflege kann teuer werden, wenn z. B. tägliche Einsätze von Pflegediensten, Haushaltshilfen oder Therapien notwendig sind.

Lebenslange Pflegekosten (bei 5 Jahren stationärer Pflege):

  • Monatlicher Eigenanteil: 2.300 €
  • Jährlich: ca. 27.600 €
  • 5 Jahre: rund 138.000 €

Ohne private Vorsorge ist dieses Szenario für viele Menschen finanziell nicht zu stemmen.

Häufige Fragen zur Pflegeversicherung (FAQ)

Wann sollte ich eine private Pflegeversicherung abschließen?
Je früher, desto besser. In jungen Jahren profitierst du von günstigen Beiträgen und wirst in der Regel ohne Leistungsausschlüsse angenommen. Idealerweise erfolgt der Abschluss zwischen dem 25. und 40. Lebensjahr – spätestens jedoch vor dem Renteneintritt.


Welche private Pflegeversicherung ist die beste?
Das hängt von deinem Bedarf ab:

  • Wer günstige Beiträge sucht und keine Gesundheitsfragen beantworten will, wählt einen Pflege-Bahr-Tarif.
  • Wer eine höhere und flexible Absicherung braucht, fährt mit einer Pflegetagegeldversicherung besser.
  • Wer eine Kombination aus Kapitalaufbau und Absicherung möchte, kann sich für eine Pflegerente entscheiden.

Zahlt die Pflegeversicherung auch bei Demenz oder psychischen Erkrankungen?
Ja – die Pflegegrade werden unabhängig von der Ursache der Pflegebedürftigkeit vergeben. Auch bei Demenz, Alzheimer oder schweren Depressionen hast du Anspruch auf Leistungen, sobald eine erhebliche Beeinträchtigung der Selbstständigkeit festgestellt wird.


Wie wird der Pflegegrad festgestellt?
Nach Antrag bei der Pflegekasse erfolgt ein Hausbesuch durch den Medizinischen Dienst (bei gesetzlich Versicherten) oder durch Medicproof (bei privat Versicherten). Dabei werden sechs Lebensbereiche geprüft – u. a. Mobilität, kognitive Fähigkeiten, Selbstversorgung, Umgang mit Anforderungen.


Was passiert, wenn ich keine private Vorsorge treffe?
Dann musst du im Pflegefall auf dein Vermögen zurückgreifen – Immobilien, Ersparnisse, Lebensversicherungen. Reicht das nicht, kann das Sozialamt unter Umständen auch Angehörige zur Kasse bitten, etwa Kinder mit hohem Einkommen („Elternunterhalt“). Private Vorsorge kann das verhindern.


Tipps zur Auswahl der passenden Pflegezusatzversicherung

Definiere deinen Bedarf realistisch: Stationäre Pflege kostet heute rund 2.300 € monatlich – wie viel davon willst du absichern?
Vergleiche verschiedene Tarifarten (Bahr, Tagegeld, Rente) – nicht jeder Tarif passt zu jeder Lebenssituation.
Achte auf Dynamikoptionen – damit Leistungen mit den Pflegekosten steigen.
Vermeide lange Wartezeiten und niedrige Staffelungen – insbesondere bei den ersten Pflegegraden.
Lass dich unabhängig beraten – z. B. durch Makler oder Verbraucherzentralen.
Sichere auch Angehörige ab, z. B. pflegende Ehepartner – Pflege trifft selten nur eine Person.


Fazit: Warum Pflegevorsorge heute wichtiger ist denn je

Pflegebedürftigkeit ist kein Randthema – sie ist ein Massenphänomen des demografischen Wandels. Immer mehr Menschen werden im Alter auf Unterstützung angewiesen sein. Gleichzeitig steigen die Pflegekosten stetig – während die gesetzliche Pflegeversicherung nur eine Basisabsicherung bietet.

Wer nicht vorsorgt, riskiert:

  • den Verbrauch des eigenen Vermögens
  • finanzielle Belastung der Kinder
  • Versorgungslücken im Alter
  • Abhängigkeit von staatlichen Hilfen

Die Lösung: Eine frühzeitig abgeschlossene, individuell passende Pflegezusatzversicherung. Ob Tagegeld, Rente oder geförderter Tarif – die Angebote sind vielfältig und lassen sich exakt an deine Lebensrealität anpassen.

Daher gilt: Pflegevorsorge ist keine Kür – sie ist ein elementarer Bestandteil verantwortungsvoller Lebensplanung.