Grundfähigkeitsversicherung

Was passiert, wenn du plötzlich nicht mehr gehen, greifen, sehen oder sprechen kannst? Wenn das Schreiben, Autofahren oder sogar das selbstständige Anziehen zur Herausforderung wird? Solche Schicksalsschläge können jeden treffen – durch Unfall, Krankheit oder degenerative Erkrankungen. Die finanziellen Folgen sind enorm: Einkommensverluste, Pflegebedürftigkeit, Umbauten oder zusätzliche Betreuungskosten stellen Betroffene und ihre Familien oft vor existenzielle Probleme.

Die Grundfähigkeitsversicherung bietet in solchen Fällen einen klar definierten Schutz: Sie zahlt eine monatliche Rente, wenn bestimmte grundlegende körperliche oder geistige Fähigkeiten dauerhaft verloren gehen. Anders als die Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) ist sie nicht an einen bestimmten Beruf gebunden – und kann so eine wertvolle Alternative oder Ergänzung zur BU darstellen.


Was ist eine Grundfähigkeitsversicherung?

Die Grundfähigkeitsversicherung (GFV) ist eine personengebundene Risikoversicherung, die einspringt, wenn der Versicherte durch Unfall oder Krankheit bestimmte, im Vertrag festgelegte Grundfähigkeiten verliert – unabhängig davon, ob er dadurch berufsunfähig ist oder nicht.

Typische versicherte Grundfähigkeiten sind:

  • Gehen
  • Sehen
  • Hören
  • Greifen mit der Hand
  • Sprechen
  • Schreiben
  • Autofahren
  • Treppensteigen
  • sich an- und auskleiden
  • Gleichgewicht halten
  • Konzentration und Merkfähigkeit (kognitive Fähigkeiten)

Wichtig: Die Leistung wird nicht erst bei kompletter Pflegebedürftigkeit fällig, sondern bereits bei Verlust einzelner Fähigkeiten, die im Alltag eine zentrale Rolle spielen.


Abgrenzung zur Berufsunfähigkeitsversicherung (BU)

Die Grundfähigkeitsversicherung ist keine BU-Police – aber sie erfüllt eine vergleichbare Schutzfunktion. Viele Menschen erhalten heute keine Berufsunfähigkeitsversicherung mehr, weil:

  • sie zu teuer ist
  • der Beruf als zu risikoreich eingestuft wird (z. B. Handwerker, Pflegekräfte, Azubis)
  • gesundheitliche Vorbelastungen eine Ablehnung oder hohe Risikozuschläge nach sich ziehen

Für diese Zielgruppen bietet die Grundfähigkeitsversicherung eine realistische Alternative, weil:

  • sie einfacher und transparenter ist
  • sie nicht den Beruf, sondern konkrete körperliche/kognitive Fähigkeiten absichert
  • sie oft günstiger ist als die BU

Vergleich BU vs. Grundfähigkeitsversicherung

MerkmalBerufsunfähigkeitsversicherungGrundfähigkeitsversicherung
Leistungsauslöser≥ 50 % BerufsunfähigkeitVerlust bestimmter Grundfähigkeiten
Berufliche Tätigkeit relevantJaNein
Prüfung der ArbeitsfähigkeitKomplex (gutachterlich)Eher klar definiert
Psychische ErkrankungenJa, aber schwer nachweisbarNur in bestimmten Tarifen enthalten
BeitragTeurer, besonders in RisikoberufenGünstiger, da objektiver Leistungsbezug

Wer profitiert besonders von der Grundfähigkeitsversicherung?

  • Handwerker, Pfleger, Auszubildende oder Schüler, für die BU kaum bezahlbar oder erhältlich ist
  • Selbstständige oder Unternehmer, die keinen BU-Schutz möchten oder bekommen
  • Eltern, Hausfrauen/-männer oder Menschen ohne Erwerbstätigkeit, die trotzdem bei Fähigkeitenverlust abgesichert sein wollen
  • Junge Menschen, die früh vorsorgen und günstige Beiträge sichern wollen

Welche Leistungen bietet eine Grundfähigkeitsversicherung?

Die Grundfähigkeitsversicherung zahlt dir eine monatlich garantierte Rente, sobald du eine oder mehrere der vertraglich definierten Fähigkeiten dauerhaft verlierst – in der Regel für mindestens sechs Monate. Je nach Tarif kann diese Rente bis zum Ende der vereinbarten Laufzeit (z. B. bis zum 67. Lebensjahr) oder solange der Zustand besteht gezahlt werden.

Die monatliche Rente – das Herzstück der Leistung

Bei Abschluss legst du die Höhe der monatlichen Rente individuell fest – je nach Bedarf und Finanzlage. Übliche Rentenhöhen liegen zwischen 1.000 € und 2.500 € pro Monat, können aber auch deutlich höher oder niedriger gewählt werden.

Beispiel:
Ein junger Handwerker sichert sich mit einer Rente von 1.500 €/Monat ab. Nach einem schweren Unfall verliert er dauerhaft die Fähigkeit, beide Hände gezielt zu gebrauchen – etwa für Arbeiten mit Werkzeugen. Nach erfolgreicher Leistungsprüfung zahlt der Versicherer monatlich 1.500 € bis zum 67. Lebensjahr oder bis zur Wiedererlangung der Fähigkeit.


Welche Grundfähigkeiten sind typischerweise abgesichert?

Jeder Versicherer definiert im Detail, welche Fähigkeiten versichert sind. In hochwertigen Tarifen umfasst der Schutz oft 20–40 Einzelfähigkeiten. Typische Beispiele:

Körperliche Fähigkeiten

  • Sehen (auf beiden Augen, ggf. mit Sehhilfe)
  • Hören (Spracherkennung auf beiden Ohren)
  • Sprechen (klare Artikulation, Kommunikation möglich)
  • Gehen / Treppensteigen (ohne Hilfsmittel)
  • Greifen mit beiden Händen (Feinmotorik, gezielte Bewegung)
  • Sitzen, Stehen, Bücken
  • Heben & Tragen von Lasten

Geistige & psychische Fähigkeiten (je nach Tarif)

  • Konzentrationsfähigkeit
  • Gedächtnisleistung (z. B. bei Demenz oder Hirntrauma)
  • Orientierungsvermögen
  • Fahrtüchtigkeit / Autofahren

Hinweis: Psychische Erkrankungen sind nicht standardmäßig enthalten – sie müssen bei Bedarf als Zusatzbaustein versichert werden (z. B. „Erweiterung auf psychische Leiden“).


Zusatzbausteine (je nach Anbieter):

  • Pflegebaustein: zusätzliche Leistung bei Pflegegrad
  • Schulunfähigkeitsschutz für Kinder & Jugendliche
  • Leistung bei schweren Erkrankungen (z. B. Krebserkrankung, Herzinfarkt)
  • Kinderoption: Einschluss von Nachwuchs ohne erneute Gesundheitsprüfung

Unterschiede zwischen Basis- und Premiumtarifen

Die Qualität des Tarifs entscheidet, wann und ob die Versicherung leistet. Günstige Tarife bieten oft:

  • nur 8–12 Grundfähigkeiten
  • strenge medizinische Definitionen
  • Leistung nur bei völliger Ausprägung des Verlusts

Hochwertige Tarife hingegen bieten:

  • 20–40 Fähigkeiten
  • kundenfreundliche Leistungsdefinitionen
  • Leistung bereits bei funktionellen Einschränkungen

Beispiel:
Ein Tarif leistet nur, wenn du „nicht mehr sprechen“ kannst. Ein besserer Tarif zahlt bereits, wenn du nicht mehr verständlich kommunizieren kannst – z. B. bei Sprachstörung nach Schlaganfall.


Wartezeiten und Leistungsdauer

  • Wartezeit: Meist 6 Monate – Leistung erst, wenn der Verlust über diesen Zeitraum besteht
  • Leistungsdauer: Bis zum Ende der Vertragslaufzeit (z. B. 67. Lebensjahr) oder bis zur Wiedererlangung der Fähigkeit
  • Rückwirkende Zahlung: Einige Tarife zahlen ab Beginn des Verlusts, sobald dieser nachgewiesen wurde

Was kostet eine Grundfähigkeitsversicherung?

Die monatlichen Beiträge einer Grundfähigkeitsversicherung hängen von verschiedenen Faktoren ab und variieren je nach Anbieter, Tarifausstattung und persönlichem Risikoprofil. Grundsätzlich gilt: Die Police ist deutlich günstiger als eine Berufsunfähigkeitsversicherung – bei gleichzeitig hohem Leistungsnutzen, besonders für körperlich Tätige.


Einflussfaktoren auf den Beitrag

  1. Eintrittsalter
    Je jünger du beim Abschluss bist, desto günstiger ist der Beitrag – und er bleibt für die gesamte Laufzeit konstant (sofern keine Altersanpassung oder Dynamik vereinbart wird).
  2. Versicherungssumme / Rentenhöhe
    Je höher die monatlich abgesicherte Rente (z. B. 1.500 € statt 1.000 €), desto höher der Beitrag.
  3. Beruf
    Anders als bei der BU ist dein Beruf nicht direkt leistungsauslösend, beeinflusst aber das Risiko: Handwerker, Pfleger oder Bauarbeiter zahlen meist mehr als Büroangestellte.
  4. Gesundheitszustand / Vorerkrankungen
    Bei bestehenden Erkrankungen können Risikozuschläge erhoben oder einzelne Fähigkeiten ausgeschlossen werden. Psychische Vorerkrankungen sind häufig ein Ausschlusskriterium.
  5. Vertragslaufzeit
    Je länger der Versicherungsschutz gilt (z. B. bis 67 statt 60 Jahre), desto teurer wird der Vertrag.

Beispielhafte Monatsbeiträge (Stand 2025)

AlterBerufRente (1.500 €/Monat)Beitrag (monatlich)
25Studentbis 67 Jahreab ca. 25–35 €
30Bürokaufmannbis 67 Jahreca. 30–45 €
35Handwerkerbis 67 Jahreca. 45–60 €
40Krankenpflegerinbis 65 Jahreca. 55–75 €
45Selbstständigerbis 65 Jahreca. 60–85 €

Tipp: Schließe die Versicherung möglichst frühzeitig ab – nicht nur wegen günstigerer Beiträge, sondern auch wegen der besseren Annahmechancen.


Vertragsgestaltung: Wichtige Optionen

✅ Dynamik

Mit einer Beitrags- und Leistungsdynamik passt du die Versicherung jährlich an die Inflation an – z. B. um 2–3 % pro Jahr. Dadurch steigt:

  • der Beitrag
  • aber auch die versicherte Monatsrente

Vorteil: Deine Absicherung bleibt realistisch, auch in 20 oder 30 Jahren.


✅ Nachversicherungsgarantie

Bei bestimmten Lebensereignissen kannst du die Leistung erhöhen – ohne erneute Gesundheitsprüfung. Typische Anlässe:

  • Heirat
  • Geburt eines Kindes
  • Immobilienkauf
  • Gehaltssteigerung
  • Abschluss einer Ausbildung

Wichtig: Diese Option muss im Vertrag enthalten sein – nicht alle Tarife bieten sie standardmäßig.


✅ Karenzzeit & Leistungsdauer

  • Die meisten Tarife leisten, wenn die Einschränkung mindestens 6 Monate besteht
  • Bei unbefristetem Verlust erfolgt die Zahlung bis zum Vertragsende
  • Bei temporärem Verlust (z. B. nach Unfall) endet die Rente mit Rückkehr der Fähigkeit

Tipp: Achte auf Tarife mit rückwirkender Zahlung bei später Diagnose – so verlierst du kein Geld bei Verzögerung.


✅ Kombination mit anderen Versicherungen

Einige Anbieter ermöglichen die Kombination mit:

  • Risikolebensversicherung
  • Kinder-Absicherung
  • Pflegezusatzversicherung
  • oder bieten Grundfähigkeitsbausteine innerhalb einer Berufsunfähigkeits-Police

Dies kann günstiger und praktischer sein – wenn gut konzipiert.


Für wen ist eine Grundfähigkeitsversicherung besonders sinnvoll?

Die Grundfähigkeitsversicherung ist nicht für jeden gleichermaßen notwendig, aber in bestimmten Lebenssituationen und Berufen bietet sie einen hervorragenden und oft alternativlosen Schutz. Hier eine Übersicht der wichtigsten Zielgruppen:


1. Menschen in körperlich anspruchsvollen Berufen

Handwerker, Pfleger, Lagerarbeiter, Zusteller oder Verkäufer sind besonders stark auf bestimmte körperliche Fähigkeiten angewiesen – z. B. Heben, Gehen, Greifen oder Sprechen.

Problem: Diese Berufsgruppen haben oft hohe Beiträge oder Einschränkungen bei der Berufsunfähigkeitsversicherung – oder werden gar nicht versichert.

Lösung: Die Grundfähigkeitsversicherung bietet ihnen eine leistbare Alternative, die trotzdem finanziellen Schutz bei Funktionsverlust bietet.


2. Schüler, Auszubildende und Berufseinsteiger

Junge Menschen stehen oft noch nicht im Berufsleben – eine klassische BU ist in dieser Phase schwer kalkulierbar oder unverhältnismäßig teuer.

Vorteil der GFV:

  • beitragsgünstiger Einstieg
  • klar definierte Leistung
  • auch ohne Beruf abschließbar
  • Option zur Umwandlung in eine BU zu einem späteren Zeitpunkt möglich

3. Eltern, Hausfrauen/-männer und Menschen ohne Erwerbstätigkeit

Wer keinen Beruf ausübt, hat keine BU-Anspruchsgrundlage. Der Verlust von Fähigkeiten kann aber trotzdem schwerwiegende Folgen haben – etwa für die Kinderbetreuung oder den Haushalt.

Beispiel: Eine Mutter verliert durch eine Erkrankung dauerhaft die Fähigkeit, längere Strecken zu gehen. Die Grundfähigkeitsversicherung zahlt – auch ohne berufliche Einschränkung.


4. Selbstständige & Unternehmer

Viele Selbstständige entscheiden sich bewusst gegen eine BU – z. B. aus Kosten- oder Flexibilitätsgründen. Die GFV bietet ihnen eine einfache, transparente Lösung, mit der sie den schlimmsten Fall – den Verlust zentraler Fähigkeiten – absichern können.


5. Menschen mit Vorerkrankungen oder Risikofaktoren

Wer wegen gesundheitlicher Vorbelastungen keine BU abschließen kann, hat mit der Grundfähigkeitsversicherung eine gute Alternative – denn die Gesundheitsprüfung ist oft weniger streng und bezieht sich auf andere Kriterien.


Praxisbeispiele – wann die Versicherung hilft

Beispiel 1: Tischler mit Bandscheibenvorfall
Ein 39-jähriger Tischler verliert nach einer Operation die Fähigkeit, dauerhaft zu heben und zu greifen. Die GFV leistet monatlich 2.000 € Rente bis zum Renteneintritt.


Beispiel 2: Pflegekraft mit Sprachstörung nach Schlaganfall
Eine 46-jährige Altenpflegerin kann nicht mehr klar sprechen. Die BU würde nicht greifen, weil der Pflegeberuf mit Einschränkungen ausgeführt werden könnte. Die GFV zahlt die vereinbarte Rente – da eine definierte Fähigkeit verloren ging.


Beispiel 3: Schüler mit Unfallfolgen
Ein 17-jähriger Schüler verliert durch einen Sportunfall die Fähigkeit zu gehen und zu stehen. Da er noch keine BU haben konnte, springt die Grundfähigkeitsversicherung ein – und sichert einen Teil des Lebensunterhalts.


FAQ – Häufige Fragen zur Grundfähigkeitsversicherung

Welche Fähigkeiten muss ich verlieren, damit gezahlt wird?
Nur jene, die im Vertrag klar definiert sind. Je nach Tarif sind das 8 bis 40 Fähigkeiten – von „Sehen“ über „Greifen“ bis hin zu „Autofahren“ oder „Konzentrationsfähigkeit“.


Ist das wie eine Pflegeversicherung?
Nein. Die Grundfähigkeitsversicherung zahlt bei konkreten Funktionseinschränkungen, nicht bei allgemeiner Pflegebedürftigkeit. Sie kann aber als Ergänzung zur Pflegeversicherung dienen.


Leistet die Versicherung auch bei psychischen Erkrankungen?
Nur wenn dies explizit versichert ist – z. B. über einen Zusatzbaustein („Psychomodule“). Klassische GFV-Tarife decken körperliche und kognitive Fähigkeiten ab.


Was passiert, wenn ich wieder gesund werde?
Die Rentenzahlung wird eingestellt, sobald die betroffene Fähigkeit nachweislich zurückkehrt. Einige Versicherer prüfen regelmäßig den Zustand.


Kann ich den Vertrag kündigen oder beitragsfrei stellen?
Ja. Du kannst die Versicherung kündigen (meist mit 1–3 Monaten Frist zum Jahresende) oder bei Bedarf beitragsfrei stellen – dann ruht der Schutz aber.


Was kostet eine realistische Absicherung?
Eine solide Absicherung (z. B. 1.500 €/Monat) kostet je nach Beruf und Alter zwischen 25 und 80 € monatlich – im Vergleich zur BU oft nur die Hälfte.


Fazit: Ist eine Grundfähigkeitsversicherung sinnvoll?

Die Grundfähigkeitsversicherung ist eine moderne, transparente und bezahlbare Lösung zur Einkommenssicherung – gerade für Menschen, die keinen Zugang zur klassischen Berufsunfähigkeitsversicherung haben oder zusätzlich vorsorgen möchten.

Sie lohnt sich besonders für:

✅ körperlich Tätige mit hohem Risiko
✅ Selbstständige und Berufseinsteiger
✅ Eltern und Menschen ohne Berufstätigkeit
✅ BU-Ablehner oder -Ausschlüsse
✅ alle, die auf funktionale Sicherheit angewiesen sind

Mit der richtigen Tarifwahl, realistischer Rentenhöhe und frühzeitigem Abschluss bietet die Grundfähigkeitsversicherung eine verlässliche finanzielle Absicherung bei Verlust zentraler Fähigkeiten – und damit mehr Freiheit und Würde im Ernstfall.