Ob Schulen saniert, IT-Dienstleistungen beauftragt oder Straßen gebaut werden – bei der Vergabe öffentlicher Aufträge gelten klare Regeln: die Ausschreibungspflicht. Sie stellt sicher, dass Transparenz, Gleichbehandlung und Wettbewerb gewahrt bleiben, wenn staatliche Stellen oder öffentliche Unternehmen Dienstleistungen und Lieferungen vergeben.
Doch was genau bedeutet Ausschreibungspflicht? Wann greift sie, wie ist sie geregelt – und welche Ausnahmen gibt es?
In diesem Beitrag erfährst du alles zur Ausschreibungspflicht, ihren rechtlichen Grundlagen, Verfahren, Schwellenwerten und praktischen Auswirkungen im öffentlichen und halböffentlichen Bereich.
Was ist die Ausschreibungspflicht?
Die Ausschreibungspflicht ist eine rechtliche Verpflichtung für öffentliche Auftraggeber, Liefer-, Bau- oder Dienstleistungsaufträge nur im Rahmen eines transparenten Ausschreibungsverfahrens zu vergeben – insbesondere bei Erreichen bestimmter Schwellenwerte.
📘 Definition: → Rechtliche Vorgabe, nach der öffentliche Aufträge nicht frei vergeben, sondern im geregelten Vergabeverfahren ausgeschrieben werden müssen
✔ Wichtige Merkmale:
- Förderung von Wettbewerb und Wirtschaftlichkeit
- Sicherstellung von Gleichbehandlung und Transparenz
- Verhinderung von Vetternwirtschaft oder Intransparenz
- Anwendung sowohl auf EU- als auch auf nationaler Ebene
💡 Tipp: Die Ausschreibungspflicht ist nicht auf Behörden beschränkt, sondern betrifft auch öffentlich finanzierte Einrichtungen wie Universitäten, Stadtwerke, Kirchen oder NGOs.
Rechtsgrundlagen der Ausschreibungspflicht
✔ Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)
✔ Vergabeverordnung (VgV)
✔ Unterschwellenvergabeordnung (UVgO)
✔ Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB)
✔ Sektorenverordnung (SektVO) für Verkehrs- und Energieunternehmen
✔ EU-Vergaberichtlinien (insb. Richtlinie 2014/24/EU)
📘 Besonderheit: → Die Rechtsgrundlage hängt davon ab, ob der Auftrag oberhalb oder unterhalb der EU-Schwellenwerte liegt
💡 Tipp: Bei internationalen Projekten greift das EU-Vergaberecht – mit eigenen Verfahrensvorschriften.
Wann gilt die Ausschreibungspflicht?
✔ Öffentlicher Auftraggeber beteiligt (Bund, Länder, Kommunen, öffentliche Unternehmen)
✔ Überschreiten der Vergabeschwellenwerte
✔ Kein Ausnahmetatbestand erfüllt
✔ Leistungen mit wirtschaftlichem Charakter (Bau, Lieferung, Dienstleistung)
📘 EU-Schwellenwerte (Stand 2024, Änderungen regelmäßig möglich):
- Liefer- und Dienstleistungsaufträge: ca. 215.000 €
- Bauaufträge: ca. 5,4 Mio. €
- Sektorenauftraggeber: ca. 431.000 €
💡 Tipp: Auch unterhalb der Schwelle gelten Regeln – z. B. nach UVgO mit beschränkten Verfahren oder freihändiger Vergabe.
Arten der Vergabeverfahren
| Verfahren | Merkmale |
|---|---|
| Offenes Verfahren | Jeder Anbieter kann ein Angebot abgeben |
| Nichtoffenes Verfahren | Teilnahme nur nach vorheriger Bewerbung |
| Verhandlungsverfahren | Bieter können Angebote verhandeln |
| Freihändige Vergabe | Direktvergabe unter bestimmten Bedingungen |
| Innovationspartnerschaft | Für besonders komplexe, neue Leistungen |
📘 Beispiel: → Eine Kommune plant einen Schulneubau über 6 Mio. € → Offenes EU-weites Verfahren zwingend vorgeschrieben
💡 Tipp: Je höher der Auftragswert, desto strenger die formellen Vorgaben.
Ausnahmen von der Ausschreibungspflicht
✔ Dringlichkeit (z. B. Katastrophenschutz, Hochwasser)
✔ Geheimhaltungsbedürftige Leistungen
✔ Innerbehördliche Auftragsvergabe („Inhouse-Vergabe“)
✔ Dienstleistungen im Sozial- und Gesundheitswesen (teilweise)
✔ Bagatellgrenzen (unter 1.000–5.000 €)
📘 Achtung: → Ausnahmen müssen gut dokumentiert und begründet werden – sonst droht Rechtswidrigkeit
💡 Tipp: Auch bei Ausnahmen empfiehlt sich Vergabe nach Prinzipien von Transparenz und Fairness.
Folgen bei Verstoß gegen die Ausschreibungspflicht
❌ Rechtswidrige Vertragsvergabe
❌ Nachprüfungsverfahren durch unterlegene Bieter
❌ Rückabwicklung oder Schadensersatzforderungen
❌ Verwaltungsrechtliche oder strafrechtliche Konsequenzen
❌ Image- und Reputationsschäden für den Auftraggeber
📘 Entscheidungspraxis: → Vergabekammern und Gerichte entscheiden zunehmend zugunsten transparenter Ausschreibungspflicht
💡 Tipp: Ein professionelles Vergabemanagement reduziert Haftungs- und Reputationsrisiken deutlich.
Häufig gestellte Fragen (FAQs)
Was ist die Ausschreibungspflicht?
→ Eine gesetzliche Verpflichtung für öffentliche Auftraggeber, Leistungen nur im geregelten Vergabeverfahren zu vergeben.
Wann greift die Ausschreibungspflicht?
→ Sobald bestimmte Schwellenwerte überschritten werden oder kein Ausnahmetatbestand vorliegt.
Welche Gesetze regeln die Ausschreibungspflicht?
→ In Deutschland z. B. GWB, VgV, UVgO, VOB sowie die EU-Vergaberichtlinien.
Was passiert bei Verstoß gegen die Ausschreibungspflicht?
→ Mögliche Aufhebung des Vertrags, Schadensersatzforderungen, Nachprüfungsverfahren.
Gibt es Ausnahmen von der Ausschreibungspflicht?
→ Ja – z. B. bei Notfällen, Inhouse-Vergaben oder Leistungen unter Bagatellgrenzen.
Fazit
Die Ausschreibungspflicht sorgt für faire Bedingungen, transparente Verfahren und effiziente Verwendung öffentlicher Mittel. Sie schützt vor Korruption, Wettbewerbsverzerrung und Intransparenz – stellt aber auch hohe Anforderungen an Vergabestellen und Bieter.
Wer sich frühzeitig mit den rechtlichen Vorgaben vertraut macht, kann nicht nur rechtssicher agieren, sondern auch wirtschaftlich erfolgreich öffentliche Aufträge gewinnen oder vergeben.