Ausscheidewahrscheinlichkeit

Ob bei der Kalkulation von Lebensversicherungen, Pensionsrückstellungen oder Unfalltarifen – die Ausscheidewahrscheinlichkeit ist ein zentrales Element der Versicherungsmathematik. Sie bestimmt, wie wahrscheinlich es ist, dass eine Person aus einem Versichertenkollektiv ausscheidet – sei es durch Tod, Berufsunfähigkeit, Rückkauf oder andere Gründe.

Doch was genau bedeutet Ausscheidewahrscheinlichkeit? Wie wird sie ermittelt? Und warum ist sie so wichtig für Versicherer, Aktuare und Tarifkalkulatoren?

In diesem Beitrag erfährst du alles über die Ausscheidewahrscheinlichkeit – von der Definition über Berechnungsmethoden bis zur praktischen Anwendung im Versicherungswesen.


Was ist die Ausscheidewahrscheinlichkeit?

Die Ausscheidewahrscheinlichkeit beschreibt die Wahrscheinlichkeit, dass eine versicherte Person in einem bestimmten Zeitraum aus dem Bestand ausscheidet – durch Tod, Vertragsbeendigung, Beitragsfreistellung oder andere definierte Ereignisse.

📘 Definition: → Wahrscheinlichkeit, mit der ein Versicherter aus einem Tarif- oder Risikokollektiv innerhalb einer Periode ausscheidet

✔ Typische „Ausscheidungsgründe“:

  • Tod
  • Berufsunfähigkeit
  • Ablauf der Versicherung
  • Rückkauf oder Beitragsfreistellung
  • Kündigung

💡 Tipp: Die Ausscheidewahrscheinlichkeit ist zeit- und altersabhängig – sie steigt oft mit zunehmender Laufzeit.


Unterschied zur Sterbewahrscheinlichkeit

BegriffBeschreibung
SterbewahrscheinlichkeitNur Tod als Ausscheidungsgrund
AusscheidewahrscheinlichkeitAlle möglichen Gründe für das Verlassen des Kollektivs

📘 Beispiel: → In einer Lebensversicherung beträgt die Sterbewahrscheinlichkeit im Alter 65 vielleicht 1,2 %, die Ausscheidewahrscheinlichkeit aber 3,5 % (inkl. Kündigung und Rückkauf)

💡 Tipp: Die Sterbewahrscheinlichkeit ist ein Teil der Ausscheidewahrscheinlichkeit, aber nicht gleichzusetzen.


Berechnung der Ausscheidewahrscheinlichkeit

✔ Basierend auf versicherungsmathematischen Modellen
✔ Verwendung von Übersichten, Tabellen und empirischen Erfahrungswerten
✔ Einflussfaktoren: Alter, Laufzeit, Geschlecht, Gesundheitszustand, Produktart
✔ Verwendung von Netto- und Bruttowahrscheinlichkeiten je nach Modell

📘 Häufige Quellen: → DAV-Tafeln, Heubeck-Richttafeln, unternehmensspezifische Beobachtungen

💡 Tipp: Moderne Modelle berücksichtigen auch soziodemografische Merkmale und Kundenverhalten.


Ausscheidewahrscheinlichkeit in der Lebensversicherung

✔ Grundlage zur Berechnung der Prämie und Deckungsrückstellung
✔ Steuerung von Rückkaufswerten und Risikoprämien
✔ Einfluss auf Rentenbarwerte und garantierte Leistungen
✔ Wichtiger Baustein in Solvency II-Bewertungen

📘 Beispiel: → Ein Lebensversicherer kalkuliert, dass 2 % der Versicherten pro Jahr ihre Police kündigen – dies fließt direkt in die Deckungsrückstellung ein.

💡 Tipp: Die realistische Einschätzung der Ausscheidewahrscheinlichkeit entscheidet über Tarifstabilität und Wirtschaftlichkeit.


Anwendung in der Unfall- und Berufsunfähigkeitsversicherung

Berufsunfähigkeit als separates Ausscheidungskriterium
✔ Unterschiedliche Wahrscheinlichkeiten je Berufsgruppe
✔ Höhere Ausscheidewahrscheinlichkeit in risikoreichen Tätigkeiten
✔ Verwendung zur Ermittlung von Beiträgen, Leistungswahrscheinlichkeiten und Risikozuschlägen

📘 Besonderheit: → Die Ausscheidewahrscheinlichkeit kann auch mit Wiedereintritten kombiniert modelliert werden (z. B. Reaktivierung nach BU)

💡 Tipp: Eine differenzierte Betrachtung der Ausscheidegründe erhöht die Tarifgenauigkeit und Fairness.


Häufig gestellte Fragen (FAQs)

Was versteht man unter Ausscheidewahrscheinlichkeit?
→ Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Versicherter aus dem Vertrag oder Versichertenkollektiv ausscheidet – durch Tod, Kündigung oder andere Gründe.

Wie wird sie berechnet?
→ Durch versicherungsmathematische Modelle, Sterbe- und Kündigungstabellen sowie Erfahrungswerte.

Warum ist sie wichtig für Versicherer?
→ Sie beeinflusst Prämien, Rückstellungen, Risikoquoten und langfristige Tarifstabilität.

Gibt es verschiedene Arten von Ausscheidewahrscheinlichkeiten?
→ Ja – je nach Versicherungsprodukt werden unterschiedliche Ursachen und Wahrscheinlichkeiten berücksichtigt.

Wie wirkt sich eine hohe Ausscheidewahrscheinlichkeit aus?
→ Auf Prämienhöhe, Rückstellungen und potenziell auf den Gewinn oder Verlust des Versicherers.


Fazit

Die Ausscheidewahrscheinlichkeit ist ein unsichtbares, aber äußerst wirkungsvolles Instrument im Hintergrund jeder Versicherung. Sie hilft, Risiken realistisch zu bewerten, Beiträge gerecht zu kalkulieren und Leistungen fair abzusichern.

Für Aktuare ist sie das Fundament der mathematischen Modellierung – für Versicherte oft ein entscheidender Faktor bei Leistungen und Rückkaufswerten. Wer sie versteht, versteht auch die Funktionsweise moderner Versicherungssysteme.