Ausgleichsanspruch

Wenn ein Handelsvertreter erfolgreich Kunden für ein Unternehmen gewonnen hat, und der Vertrag dann endet, stellt sich die Frage: Was passiert mit dem aufgebauten Kundenstamm? Damit der Vertreter nicht leer ausgeht, gibt es in Deutschland den sogenannten Ausgleichsanspruch – eine gesetzlich verankerte Kompensation für die geleistete Arbeit, die dem Unternehmen langfristige Vorteile bringt.

Besonders relevant ist dieses Thema im Versicherungsvertrieb, wo Vertreter häufig über Jahre Kunden betreuen und binden.

Doch wann besteht ein Ausgleichsanspruch? Wie wird er berechnet? Und was gilt für freie Handelsvertreter oder Makler?

In diesem Beitrag erfährst du alles über den Ausgleichsanspruch, seine rechtlichen Grundlagen, die Bedingungen für seine Geltendmachung und praktische Tipps zur Durchsetzung.


Was ist der Ausgleichsanspruch?

Der Ausgleichsanspruch ist ein gesetzlicher Anspruch auf eine einmalige Zahlung, den Handelsvertreter nach Vertragsbeendigung gegenüber ihrem Auftraggeber geltend machen können – als Kompensation für den geschaffenen Kundenwert.

📘 Rechtsgrundlage: → § 89b Handelsgesetzbuch (HGB)

✔ Voraussetzungen:

  • Vertragsbeendigung (nicht durch schuldhaftes Verhalten des Vertreters)
  • Fortbestehender Nutzen für das Unternehmen durch die vermittelten Kunden
  • Unzumutbarkeit des Verzichts auf Ausgleich

💡 Tipp: Der Ausgleichsanspruch ist nicht automatisch, sondern muss explizit geltend gemacht werden – meist innerhalb eines Jahres nach Vertragsende.


Ziel und Funktion des Ausgleichsanspruchs

Schutz des Handelsvertreters – vor wirtschaftlicher Entwertung seiner Leistung
Ausgleich wirtschaftlicher Vorteile – die der Unternehmer weiterhin durch vermittelten Kundenstamm hat
Wahrung von Fairness und Rechtsfrieden
Anreiz für nachhaltige Kundenbindung im Vertrieb

📘 Beispiel: → Ein Versicherungsvertreter vermittelt über Jahre Policen. Nach Vertragsende profitiert der Versicherer weiter – der Vertreter erhält einen Ausgleich.

💡 Tipp: Der Anspruch soll keine Provision ersetzen, sondern den Kundenwert monetarisieren.


Wer hat Anspruch?

Handelsvertreter gemäß § 84 HGB
Ausschließlichkeitsvertreter in der Versicherungsbranche
Vertraglich Gleichgestellte (in bestimmten Ausnahmefällen)

❌ Kein Anspruch bei:

  • Freien Maklern
  • Beendigungen durch schuldhaftes Verhalten des Vertreters
  • Kündigung durch Vertreter selbst ohne wichtigen Grund

📘 Ausnahme: → Bei „vertraglicher Gleichstellung“ kann auch ein Makler unter gewissen Umständen einen Ausgleichsanspruch haben.

💡 Tipp: Die vertragliche Gestaltung entscheidet oft über das Bestehen des Anspruchs – juristische Prüfung lohnt sich.


Berechnung des Ausgleichsanspruchs

Die Berechnung erfolgt nach mehreren Stufen:

  1. Rohertrag aus fortbestehenden Kundenbeziehungen
  2. Abschläge für unternehmerisches Risiko, Kundenschwund
  3. Angemessene Bemessung (max. 1 Jahresdurchschnitt der letzten 5 Jahre)
  4. Höchstgrenze laut § 89b Abs. 2 HGB

📘 Beispiel: → Letzte 5 Jahre: Ø Jahresprovision = 50.000 €.
Kundenwert bleibt zu 60 % erhalten → Anspruch max. 30.000 €

💡 Tipp: Die Berechnung ist verhandlungsabhängig – genaue Nachweise sind entscheidend!


Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs

Schriftliche Erklärung binnen 12 Monaten nach Vertragsende
Verjährung nach 3 Jahren ab Jahresende der Geltendmachung
Beweislast liegt beim Handelsvertreter
Verhandlungen und Mediation oft erfolgreicher als Klage

📘 Unterlagen: → Kundenlisten, Umsatznachweise, Provisionsstatistiken, Vertragsverläufe

💡 Tipp: Frühzeitig Nachweise sammeln – spätestens ab Kündigungszeitpunkt!


Besonderheiten im Versicherungsvertrieb

✔ Häufige Anwendung bei Ausschließlichkeitsvertretern
✔ Vertriebsverträge oft mit Sonderregelungen zur Berechnung
✔ Mischformen von Vertreter und Makler in der Praxis relevant
Bestandsprovision vs. Ausgleichsanspruch – sauber trennen

📘 Aktuelle Rechtsprechung: → Tendenz zur kundenzentrierten Beurteilung: Wer einen stabilen Kundenbestand aufbaut, hat meist gute Karten.

💡 Tipp: Gewerbliche Vermittler sollten sich vertraglich absichern – z. B. durch Ausgleichsregelung analog § 89b HGB.


Häufig gestellte Fragen (FAQs)

Was ist der Ausgleichsanspruch?
→ Ein gesetzlicher Anspruch auf finanzielle Entschädigung für Handelsvertreter nach Vertragsende.

Wann besteht der Anspruch?
→ Wenn dem Unternehmen wirtschaftliche Vorteile aus vermittelten Kunden bleiben und der Vertreter nicht selbst schuldhaft gekündigt hat.

Wie hoch ist der Ausgleichsanspruch?
→ Maximal ein Jahresdurchschnitt der Provision der letzten 5 Jahre – konkret abhängig vom Kundenwert.

Gilt der Anspruch auch für Makler?
→ In der Regel nicht – nur bei vertraglicher Gleichstellung mit Handelsvertretern in Ausnahmefällen.

Wie mache ich den Anspruch geltend?
→ Schriftlich, innerhalb von 12 Monaten nach Vertragsbeendigung – mit Nachweisen über Kunden und Umsätze.


Fazit

Der Ausgleichsanspruch schützt Handelsvertreter vor dem Verlust ihres unternehmerisch geschaffenen Kundenwertes – und sorgt für Fairness im Vertriebsverhältnis.

Gerade in der Versicherungsbranche, wo Kundenbindung über Jahrzehnte besteht, ist dieser Anspruch mehr als ein jurisches Detail – er ist existenziell.

Wer langfristig denkt, sich gut dokumentiert und rechtzeitig handelt, kann sich mit dem Ausgleichsanspruch ein Stück der Früchte seiner Vertriebsarbeit sichern.