Antiselektion

In der idealen Welt der Versicherung basiert alles auf kollektiven Risiken und fairer Risikostreuung. In der Realität jedoch wählen manche Versicherte gezielt dann einen Vertrag, wenn sie mehr wissen als der Versicherer – ein Phänomen, das als Antiselektion bekannt ist.

Doch was genau bedeutet Antiselektion? Welche Risiken birgt sie für Versicherer? Und wie kann man sich dagegen schützen?

In diesem Artikel beleuchten wir die Definition, Ursachen, Folgen und Gegenstrategien der Antiselektion, insbesondere im Kontext von Kranken-, Lebens- und Berufsunfähigkeitsversicherungen.


Was ist Antiselektion?

Antiselektion (auch adverse selection) beschreibt das Verhalten von Versicherten mit überdurchschnittlichem Risiko, die gezielt Versicherungsschutz suchen oder aufrechterhalten, während risikoärmere Kunden sich abwenden.

📘 Merkmale: ✔ Informationsasymmetrie: Der Versicherte weiß mehr als der Versicherer
✔ Selektives Verhalten: Abschluss oder Kündigung abhängig vom individuellen Risiko
✔ Gefährdung der Risikogemeinschaft

💡 Tipp: Antiselektion tritt besonders häufig in freiwilligen Versicherungsbereichen ohne Gesundheitsprüfung oder mit Konvertierungsrechten auf.


Beispielhafte Szenarien für Antiselektion

Krankenzusatzversicherung: Abschluss direkt nach Diagnose
Berufsunfähigkeitsversicherung: Wechsel in leistungsstarken Tarif kurz vor geplanter Antragstellung
Risikolebensversicherung: Wiederaufnahme nach schwerer Krankheit, falls keine erneute Gesundheitsprüfung erfolgt
Pflegeversicherung: Eintritt im hohen Alter bei drohendem Pflegebedarf

💡 Tipp: Antiselektion ist nicht immer bewusst – auch unbewusstes Verhalten kann kollektiv zu Kostensteigerung und Beitragserhöhungen führen.


Ursachen von Antiselektion

Informationsvorsprung des Versicherten
Tarifwechseloptionen ohne Gesundheitsprüfung
Ungenaue Risikoprüfung bei Vertragsabschluss
Versicherungsfreiheit in bestimmten Bereichen (z. B. GKV vs. PKV)
Schwache Regulierung oder Kontrolle

📘 Besonders gefährdet:

  • Private Krankenversicherungen
  • Zusatzversicherungen
  • Berufsunfähigkeitsversicherungen

💡 Tipp: Transparente Kommunikation, sorgfältige Risikoprüfung und klare Tarifstrukturen helfen, Antiselektion zu reduzieren.


Folgen der Antiselektion

Fehlkalkulation von Prämien
Erhöhte Schadenquoten
Beitragssteigerungen für alle Versicherten
Rückzug von Tarifen oder Produkten
Erosion der Solidarität in Versicherungskollektiven

📘 Beispiel:
→ In der PKV kann Antiselektion dazu führen, dass gesunde Versicherte kündigen und Kranke bleiben – mit der Folge steigender Beiträge und schrumpfender Risikogemeinschaft.

💡 Tipp: Versicherer begegnen Antiselektion oft mit Kalkulationspuffern, Wartezeiten oder Risikozuschlägen.


Strategien zur Vermeidung von Antiselektion

Gesundheitsprüfung beim Abschluss oder Tarifwechsel
Begrenzung von Wechselrechten
Einführung von Wartezeiten oder Karenzzeiten
Dynamische Beitragsanpassung an das Risikoprofil
Verbindliche Mindestversicherungszeiten

📘 Gesetzliche Maßnahmen:

  • In der GKV durch Versicherungspflicht und Umlageverfahren
  • In der PKV durch Tarifwechselregelungen nach § 204 VVG

💡 Tipp: Regulatorischer Ausgleich hilft, die Balance zwischen Verbraucherschutz und Risikosolidarität zu wahren.


Antiselektion in der Praxis – Branchenbeispiele

PKV (Private Krankenversicherung)
→ Versicherer setzen auf Risikoselektion und Kontrahierungsfreiheit

Berufsunfähigkeitsversicherung
→ Gesundheitsprüfung, Nachmeldepflichten, Stichtagsregelungen

Lebensversicherung
→ Ausschluss von Nachversicherungsoptionen ohne neue Risikoprüfung

Tier- oder Reiseversicherungen
→ Standard-Wartezeiten zur Vermeidung kurzfristiger, zweckgebundener Abschlüsse

💡 Tipp: Auch Versicherte profitieren langfristig von Maßnahmen gegen Antiselektion – durch beitragsstabile und nachhaltige Tarife.


Häufig gestellte Fragen (FAQs)

Was bedeutet Antiselektion in der Versicherung?
→ Der gezielte Abschluss oder Erhalt einer Versicherung durch Personen mit hohem Risiko, oft zum Nachteil der Kollektivgemeinschaft.

Ist Antiselektion verboten?
→ Nein – aber sie kann zu höheren Beiträgen oder Leistungsbegrenzungen für alle führen.

Wie schützt sich ein Versicherer davor?
→ Durch Gesundheitsprüfungen, Wartezeiten, Risikozuschläge und differenzierte Tarifgestaltung.

Ist ein Wechsel in günstigere Tarife Antiselektion?
→ Nur wenn er auf verdeckter Risikolage basiert – ansonsten ist Tarifoptimierung legitim.

Gibt es Antiselektion auch in der gesetzlichen Krankenversicherung?
→ Durch die Versicherungspflicht und Solidargemeinschaft wird sie dort weitgehend verhindert.


Fazit

Antiselektion ist ein stilles Risiko für jede Versicherungsgemeinschaft. Was aus Sicht einzelner Versicherter nachvollziehbar erscheint, kann langfristig das gesamte System destabilisieren – mit Beitragsanstiegen, Leistungseinschränkungen und Vertrauensverlust.

Ein ausgewogenes Verhältnis aus Verbraucherschutz, Risikoprüfung und Tariftransparenz hilft, Antiselektion vorzubeugen – zum Schutz der Gemeinschaft und zur Sicherung fairer, nachhaltiger Versicherungslösungen.