Annahmepflicht

In der freien Marktwirtschaft gilt grundsätzlich Vertragsfreiheit – Anbieter dürfen selbst entscheiden, mit wem sie Verträge schließen. Doch in sensiblen Bereichen wie der Krankenversicherung oder Pflichtversicherungen greift der Gesetzgeber ein: durch die sogenannte Annahmepflicht.

Doch was genau ist die Annahmepflicht? Wo gilt sie? Und wann dürfen Versicherer trotzdem ablehnen?

In diesem Artikel erfährst du alles über die rechtliche Grundlage, Anwendung und Bedeutung der Annahmepflicht, insbesondere im Bereich der privaten Krankenversicherung und anderen verpflichtenden Versicherungsarten.


Was ist die Annahmepflicht?

Die Annahmepflicht bezeichnet die gesetzlich geregelte Verpflichtung eines Versicherers, einen Antrag auf Abschluss eines Versicherungsvertrags nicht abzulehnen, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind.

📘 Gilt vor allem in Bereichen mit:

  • Sozialer Schutzfunktion
  • Gesetzlicher Versicherungspflicht
  • Versorgungsauftrag

💡 Tipp: Die Annahmepflicht schützt insbesondere Menschen mit Vorerkrankungen oder geringen Chancen auf eine freiwillige Versicherung.


Rechtsgrundlagen der Annahmepflicht

📘 Wichtige Gesetze:

  • Versicherungsvertragsgesetz (VVG)
  • Sozialgesetzbuch V (§§ 192 ff.)
  • Pflichtversicherungsgesetze (z. B. Kfz-Pflichtversicherung)
  • VAG (Versicherungsaufsichtsgesetz)

📌 Ziel: ✔ Schutz der Allgemeinheit
✔ Sicherung der Grundversorgung
✔ Verhinderung von Risikoselektion


Anwendungsbereiche der Annahmepflicht

Private Krankenversicherung (Basistarif)

✔ Jeder Versicherer muss Personen im Basistarif aufnehmen
✔ Gilt für alle, die nicht gesetzlich versichert sind, aber versicherungspflichtig wären
✔ Keine Gesundheitsprüfung
✔ Beiträge einkommensabhängig reduzierbar (Sozialtarif)


Pflegepflichtversicherung (Basistarif)

✔ Annahmepflicht korrespondiert mit der PKV
✔ Kein Ausschluss wegen Vorerkrankung


Kfz-Haftpflichtversicherung

✔ Pflichtversicherung nach PflVG
✔ Jeder Anbieter muss eine Mindestdeckung gewährleisten
✔ Ablehnung nur unter bestimmten Bedingungen erlaubt (z. B. Zahlungsverzug)


Berufsgenossenschaften und gesetzliche Unfallversicherung

✔ Unternehmen dürfen sich nicht entziehen
✔ Aufnahme erfolgt automatisch

💡 Tipp: Die Annahmepflicht betrifft fast ausschließlich Grund- oder Pflichtversicherungen, nicht Zusatz- oder Luxusversicherungen.


Ausnahmen von der Annahmepflicht

❌ Bei fehlenden Voraussetzungen (z. B. kein Wohnsitz in Deutschland)
❌ Bei arglistiger Täuschung oder versuchtem Versicherungsbetrug
❌ Bei fehlender Mitwirkung oder Zahlungsverzug
❌ Bei Antrag auf nicht vorhandene Produkte (Tarif existiert nicht)

📘 Beispiel: Ein Versicherungsunternehmen kann die Annahme eines Antrags außerhalb des Basistarifs ablehnen, wenn das Risiko zu hoch oder der Antragsteller nicht kooperativ ist.


Bedeutung für Verbraucher

✔ Schutz vor Versicherungslosigkeit
✔ Recht auf Grundversorgung unabhängig von Gesundheitszustand
✔ Möglichkeit zur Rückkehr in den Versicherungsschutz bei Unterbrechung
✔ Existenzsicherung für Selbstständige, Rückkehrer, ältere Menschen

💡 Tipp: Betroffene sollten wissen: Sie haben ein Recht auf Versicherung – im Basistarif oder Pflichtbereich.


Pflichten der Versicherer bei Annahmepflicht

✔ Antragsannahme bei Erfüllung der Bedingungen
✔ Tarifangebot mit genauen Informationen
✔ Tarif darf nicht leistungsärmer sein als gesetzlich vorgeschrieben
✔ Informationspflichten einhalten

📘 In der PKV: Leistungen im Basistarif müssen denen der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen – keine Leistungskürzungen erlaubt.


Probleme und Kritik an der Annahmepflicht

❌ Beitragshöhe trotz Pflicht: Basistarif kann teuer sein
❌ Eingeschränkte Auswahl: freie Tarife mit besserem Schutz oft nicht verfügbar
❌ Versorgungslücken möglich, wenn Versicherungspflicht nicht erkannt wird
❌ Komplexe Regelungen und Antragsprozesse

💡 Tipp: Wer unter Annahmepflicht versichert ist, sollte regelmäßig prüfen, ob ein Wechsel in besseren Tarif oder die GKV möglich ist.


Häufig gestellte Fragen (FAQs)

Was bedeutet Annahmepflicht bei Versicherungen?
→ Versicherer müssen unter bestimmten Bedingungen einen Antrag auf Versicherung annehmen – insbesondere bei Basistarifen oder Pflichtversicherungen.

Gilt die Annahmepflicht auch bei Vorerkrankungen?
→ Ja, z. B. im Basistarif der PKV besteht keine Gesundheitsprüfung – niemand darf abgelehnt werden.

Kann ein Versicherer den Antrag trotzdem ablehnen?
→ Nur bei besonderen Gründen wie fehlender Mitwirkung, Betrugsverdacht oder ausländischem Wohnsitz.

Gibt es eine Annahmepflicht in der gesetzlichen Krankenkasse?
→ Ja – bei Pflichtversicherten besteht Aufnahmeverpflichtung, auch nach Rückkehr aus dem Ausland oder nach Selbstständigkeit.

Welche Leistungen bekomme ich bei der Annahmepflicht?
→ Im Basistarif PKV entsprechen sie dem Umfang der GKV – also Sachleistungen, Arztkosten, Klinikaufenthalte etc.


Fazit

Die Annahmepflicht ist ein zentrales Instrument des sozialen Ausgleichs in der Versicherungswelt. Sie schützt Menschen davor, in existenzielle Notlagen ohne Versicherungsschutz zu geraten, und sichert die Grundversorgung in sensiblen Bereichen wie Gesundheit, Pflege und Verkehr.

Auch wenn sie nicht alle Probleme löst – die Annahmepflicht stellt sicher, dass in unserer Gesellschaft niemand durch das Raster fällt.