Ein Missgeschick passiert schnell – doch was, wenn der Schaden im eigenen familiären Umfeld entsteht? In der Haftpflichtversicherung oder Rechtsschutzversicherung greifen dann oft besondere Ausschlüsse oder Einschränkungen. Eine zentrale Rolle spielt dabei die sogenannte Angehörigenklausel. Sie regelt, unter welchen Umständen Ansprüche innerhalb der Familie oder häuslichen Gemeinschaft vom Versicherungsschutz ausgenommen sind.
Doch was genau steht in einer Angehörigenklausel? Warum gibt es sie? Und wann ist sie rechtlich wirksam oder sogar angreifbar? Dieser Beitrag liefert einen fundierten Überblick über die Angehörigenklausel – praxisnah, verständlich und rechtlich fundiert.
Was ist eine Angehörigenklausel?
Die Angehörigenklausel ist eine vertragliche Bestimmung in Versicherungsverträgen, die den Versicherungsschutz für bestimmte Schadensfälle unter Angehörigen ausschließt oder einschränkt. Ziel ist es, Missbrauch vorzubeugen, indem beispielsweise fingierte Schadensfälle innerhalb von Familien nicht entschädigt werden.
Am häufigsten findet man die Angehörigenklausel in folgenden Versicherungen:
- Privathaftpflichtversicherung
- Kfz-Haftpflichtversicherung
- Rechtsschutzversicherung
- Unfallversicherung
Typische Formulierung einer Angehörigenklausel
In der Haftpflichtversicherung findet sich oft eine Klausel wie:
„Kein Versicherungsschutz besteht für Ansprüche zwischen dem Versicherungsnehmer und den mitversicherten Personen sowie zwischen miteinander in häuslicher Gemeinschaft lebenden Angehörigen.“
In der Rechtsschutzversicherung lautet sie beispielsweise:
„Kein Versicherungsschutz besteht für Rechtsschutzfälle zwischen dem Versicherungsnehmer und mitversicherten Angehörigen, sofern beide in häuslicher Gemeinschaft leben.“
Wer gilt als Angehöriger?
Die Definition von „Angehörigen“ kann je nach Versicherer und Vertrag leicht variieren. In der Regel zählen dazu:
- Ehepartner / eingetragene Lebenspartner
- Kinder / Adoptivkinder / Stiefkinder
- Eltern und Schwiegereltern
- Geschwister
- Großeltern
- Personen in eheähnlicher Gemeinschaft
- Weitere Personen in häuslicher Gemeinschaft
Wichtig: Die häusliche Gemeinschaft ist häufig der entscheidende Faktor für den Ausschluss. Leben z. B. Geschwister in getrennten Haushalten, könnte der Versicherungsschutz bestehen.
Warum gibt es die Angehörigenklausel?
Die Angehörigenklausel soll primär Versicherungsbetrug verhindern. Schadensfälle unter nahestehenden Personen lassen sich oft schwer objektiv prüfen – das Missbrauchsrisiko ist höher.
Beispiel: Ein Vater wirft versehentlich den Fernseher seines Sohnes um. Ohne Angehörigenklausel könnte der Sohn als „Geschädigter“ auftreten und der Versicherer müsste zahlen – obwohl der Schaden in der Familie verbleibt.
Außerdem berücksichtigt die Klausel das sogenannte Fehlanreiz-Risiko: Ohne Einschränkung könnten sich Angehörige gegenseitig „kontrolliert schädigen“, um Leistungen zu kassieren.
In welchen Versicherungen ist sie besonders relevant?
1. Haftpflichtversicherung
Hier schützt die Angehörigenklausel vor fiktiven Haftungsfällen innerhalb des Familienkreises. Allerdings kann es zu unschönen Überraschungen kommen – z. B. wenn ein Schaden tatsächlich unabsichtlich entstand.
2. Kfz-Haftpflichtversicherung
Wenn Angehörige mit dem Fahrzeug mitfahren und bei einem Unfall verletzt werden, können unter Umständen Schadenersatzansprüche ausgeschlossen sein – je nach Klausel.
3. Rechtsschutzversicherung
In Fällen, in denen z. B. ein Ehepartner gegen den anderen klagen will (z. B. nach Trennung), kann die Angehörigenklausel Rechtsschutz verweigern, wenn sie noch in häuslicher Gemeinschaft leben.
Ausnahmen und Einschränkungen
Die Angehörigenklausel gilt nicht uneingeschränkt:
- Bei Personenschäden (z. B. Körperverletzung bei Verkehrsunfällen) besteht oft trotz Angehörigenklausel Versicherungsschutz – zumindest im Bereich der Kfz-Haftpflicht, da hier auch Schmerzensgeld- oder Rentenansprüche möglich sind.
- In vielen modernen Policen wird die Angehörigenklausel gelockert oder bewusst gestrichen, um kundenfreundlicher zu sein.
- Privathaftpflichtversicherungen mit Update-Garantie passen sich oft automatisch an neuere, verbesserte Bedingungen an.
Kritik und rechtliche Bewertung
Die Angehörigenklausel ist rechtlich zulässig, unterliegt jedoch der Kontrolle nach dem Gesetz über Allgemeine Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB). Sie darf Versicherungsnehmer nicht unangemessen benachteiligen.
In Einzelfällen wurden Klauseln durch Gerichte für unwirksam erklärt, z. B. wenn sie:
- zu pauschal formuliert sind
- eine unangemessene Benachteiligung darstellen
- nicht transparent genug sind
Urteile wie vom BGH (Az. IV ZR 289/02) zeigen, dass Klauseln individuell geprüft werden müssen – insbesondere bei der Definition von „häuslicher Gemeinschaft“ oder „Mitversicherung“.
Tipps für Versicherungsnehmer
✅ Versicherungsbedingungen genau lesen
✅ Bei Unsicherheit: Definition von „Angehörigen“ prüfen
✅ Moderne Tarife mit aufgeweichter Angehörigenklausel wählen
✅ Bei familiären Schadensfällen: versicherungsrechtlichen Rat einholen
✅ Im Rechtsschutzbereich: ggf. Zweitversicherung oder Einzeltarife nutzen
Häufig gestellte Fragen (FAQs)
Was bedeutet die Angehörigenklausel?
Sie schließt den Versicherungsschutz aus, wenn der Schaden zwischen Angehörigen oder innerhalb einer häuslichen Gemeinschaft entsteht.
Gilt die Angehörigenklausel auch bei Personenschäden?
Nicht zwingend. In der Kfz-Haftpflichtversicherung z. B. besteht meist auch bei Personenschäden innerhalb der Familie Versicherungsschutz.
Kann man die Angehörigenklausel umgehen?
Nicht direkt. Man kann jedoch Tarife wählen, die sie nicht enthalten oder Einzelfalllösungen prüfen.
Was bedeutet „häusliche Gemeinschaft“?
Eine gemeinsame Wohnung oder Haushaltsführung – unabhängig vom Verwandtschaftsgrad. Auch bei Lebensgemeinschaften oder WG-Konstellationen relevant.
Ist die Angehörigenklausel rechtlich zulässig?
Ja – solange sie klar formuliert und angemessen ist. Sonst kann sie durch Gerichte als unwirksam erklärt werden.
Verwandte Begriffe und semantisch passende Keywords
- Haftungsausschluss unter Angehörigen
- häusliche Gemeinschaft
- Versicherungsbedingungen
- Mitversicherung
- Obliegenheiten im Versicherungsvertrag
- Schadensregulierung Familie
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Fazit
Die Angehörigenklausel ist ein häufig übersehener, aber entscheidender Punkt im Versicherungsvertrag. Sie schützt Versicherer vor möglichem Missbrauch, kann im Schadensfall aber auch zu enttäuschten Erwartungen führen. Wer im Familien- oder Haushaltverbund lebt, sollte Tarife und Bedingungen genau prüfen – und sich bei Unsicherheiten professionell beraten lassen. Moderne Tarife bieten hier oft mehr Schutz und Flexibilität – für ein sicheres Miteinander, auch im Schadenfall.